Pointierte Collage über das Fliegen und die scheinbar grenzenlose Freiheit von den beiden Multitalenten Erich Furrer und Erich Hufschmid.
Kräftiger Applaus für die Mammutjäger Erich Furrer und Erich Hufschmid am Mittwoch im Bündner Naturmuseum. Statt wie vor einem Jahr für ihre S-Bahn-Fahrt zur Arbeit im Anzug und mit Aktenkoffer treten die beiden Darsteller nun in Freizeitkleidung mit Sonnenbrille im Haar auf.
Pointierte Collage
Der von beiden verkörperte Herr Felix, der nette Mann von nebenan, der Mustermensch aus der Nachbarschaft, ist auf dem Weg in die Ferien. Pro Jahr fliegt er einmal in Kurzurlaub - in der "Economy class", wie der Titel des Stücks heisst. Hinaus aus der "statischen" Bürowelt, hinein in die Klubhotel-Welt. Angesagt ist aktive Entspannung, jede Menge Fun, Leute treffen, die man sonst nicht treffen würde, oder solche treffen, um die man sonst einen grossen Bogen machen würde. Doch noch ist Herr Felix nicht abgeflogen. Die Mammutjäger verwenden die vielschichtige Lage des Herrn Felix für eine pointierte Collage in Text, Musik und Pantomime über das Fliegen, und immer wieder tauchen Situationen der heutigen Freizeitgestaltung auf, frech, hintergründig, witzig. Die beiden Akteure schlüpfen virtuos in verschiedene Rollen und entlocken dem Publikum manch Schmunzeln. Vom Ikarus-Mythos, von da Vincis Ideen, von Lindberghs Atlantiküberquerung, als Gleitschirmflieger oder Propellerflugzeugpiloten, Mani Matters Alpenflug-Geschichte auf verschiedene Weise stellen die Mammutjäger "den ewigen Traum vom Fliegen" dar.
Frappante Wechsel
Und immer wieder die Fortsetzung der Geschichte von Herrn Felix. Er ist wieder Single. Ein Loblied auf das Single-Dasein folgt - und gleich darauf als Pantomime dessen Schattenseite anhand eines Tagesablaufes. Die Mammutjäger überraschen immer wieder mit frappantem Stimmungs- und Themawechsel. So spinnen sie die Handlung auf verschiedenen Ebenen weiter. Erich Furrer, der in St. Gallen lebt, und Erich Hufschmid, wohnhaft in Zürich, haben 2002 die Theaterformation Mammutjäger im Rahmen der Interessengemeinschaft Netzwerkbühne gegründet.
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Amüsant und hintergründig: Die Mammutjäger begeistern mit ihrem neuen Stück «Economy class».
von Juscha Casaulta
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Herr Felix, ein typischer Schweizer Durchschnittsbürger, fährt in seiner
Freizeit Mountainbike und fliegt pro Jahr einmal für eine Woche in die Ferien. Und das bringt ihn mit dem «ewigen
Traum vom Fliegen» in direkten Kontakt – mit dieser eigenartigen Mischung von Vorfreude, Sensationslust und
Angst, die einen als «Mammutjäger economy class» vor jedem Flugerlebnis zu befallen pflegt.Die beiden
Multitalente Erich Furrer und Erich Hufschmid haben die vielschichtige Lage des Herrn Felix als Basis für eine ausserordentlich
witzige Collage über das Fliegen verwendet – entstanden ist eine anderthalbstündige, bald in Mundart
und bald in Hochsprache verfasste Revue mit Text und Musik, die frech und auch hintergründig, poetisch und auch
aggressiv, subtil und auch bösartig pointiert um die Probleme der heutigen Freizeitgestaltung kreist.
Die beiden Spieler – sie sind gleichzeitig Tänzer, Sänger und Mimen – schlüpfen
virtuos von Rolle zu Rolle, von Szene zu Szene, von Gag zu Gag: Und das Publikum im Naturhistorischen Museum Bern folgte
den zwei attraktiven Verführern mit schmunzelndem Einverständnis.
Historisches und Aktuelles
Da wird von den historischen Entwicklungen von Dädalus und Ikarus bis zu den Brüdern Montgolfier,
von geglückten Flugversuchen in der Tierwelt und von zwerchfellerschütternd-idiotischen Aktivitäten in
Klubhotels berichtet, da wird über Flugängste und Flugfreuden gefrozzelt, da wird das Fliegen im leisen Gedicht
und im lyrischen Chanson gewürdigt – was auch immer mit dem Fliegen zu tun hat und haben kann, wird von den
beiden hervorragend aufeinander eingespielten Darstellern persifliert, ironisiert und dem begeisterten Publikum zum
Frass vorgeworfen.
Dabei geht es den zwei durch die Organisationsform der «Netzwerkbühne» verbundenen
Künstlern nicht ausschliesslich um Spass und Amüsement (obwohl beides durchaus nicht zu kurz kommt) – mit
dem Hinweis auf die «scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten unserer hoch technisierten, ∫aber oft sinnentleerten
Zivilisation» wollen sie aufrütteln, in Frage stellen und zum Nachdenken zwingen. Und dieses Ziel erreichen
sie stets erneut und in beeindruckendhohem Masse.
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«Mammutjäger» im Naturhistorischen Museum ist eine witzige Collage
von (-tt-)
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Da stehen sie wieder. Am Fuss der Rampe, die zu den Ausstellungsräumen des Naturmuseums hinunterführt. Links
und rechts des ausgestopften Braunbärs: Die beiden Homo sapiens digitalensis, die per Knopfdruck animiert dem wartenden
Publikum Minisketchs aus dem Leben des Menschen zu Anfang des 21. Jahrhunderts zum Besten geben. Trugen die beiden neuzeitlichen «Mammutjäger» vor
einem Jahr für ihre S-Bahn-Fahrt zur Arbeit Anzüge am Leib und Aktenkoffer in der Hand, so posieren sie nun,
Sonnenbrillen im Haar, in hellblauen Hemden und Freizeitjacken auf ihren Podesten. Der eine versucht, seiner Partnerin
ein Last-Minute-Angebot schmackhaft zu machen. Der andere fragt sich, warum nach der Landung am Flughafen sein Koffer
immer zuletzt aufs Fliessband gelegt wird. Schon bei der Einstimmung wird klar, der von Erich Furrer und Erich Hufschmid
zwillinghaft verkörperte Herr Felix schickt sich an, in die Ferien zu fliegen. Und zwar, wie der Titel des Stücks
sagt, «economy class».
Geschichte der Luftfahrt
Dass der mächtige Bartgeier auf der Vitrine mit den Hochgebirgsvögeln das Vorspiel im Barbereich
mit strengem Blick überwacht, erhält gleich nach Beginn des Theaterabends im Vortragssaal einen besonderen
Sinn. Wird doch diesmal der vom Vogelflug inspirierte Traum des Menschen vom Fliegen erkundet. Den bewährten dramaturgischen
Raster ihres ersten Stücks haben Furrer und Hufschmid beibehalten. Sie brauchten ihn nur mit neuen Inhalten zu
füllen. Im Eröffnungs-Rap zeichnen sie nun die Entstehung der Flugwesen nach. In ihren mitreissenden Songs
rufen sie den Ikarus-Mythos und die Geschichte der Luftfahrt von Leonardo da Vincis Flugmaschinen-Ideen bis zu Charles
Lindberghs Atlantiküberquerung in Erinnerung. Sie treten in komödiantischen Pantomimen als Gleitschirmflieger,
Ballonfahrer und Propellerflugzeugpiloten in Erscheinung, wobei sie auf witzige Weise Mani Matter und seinem Lied vom «Alpenflug» die
Referenz erweisen.
Last-Minute-Entspannung
Andererseits spinnen Furrer und Hufschmid die Geschichte von Herrn Felix weiter, der inzwischen geschieden
ist, Last-Minute-Entspannung im Klubhotel sucht und sie in den angebotenen Gruppenaktivitäten findet. Sie lassen
ihn ein Loblied auf das Single-Dasein und die Befreiung vom schlechten Partnerschaftsgewissen singen, um gleich darauf
mit den Schlagworten Einsamkeit und Suchtverhalten die negativen Seiten des Alleinseins anhand eines Tagesablaufs in
extremem Zeitraffer vor Augen zu führen. Solche assoziativen Einsprengsel weiten die beiden hauptsächlichen
Erzählperspektiven immer wieder überraschend aus. Auch der amüsante Sketch über die Zubereitung
prähistorischer Leckerbissen fehlt diesmal nicht. Nur dass nun nicht mehr Jagd auf das Mammut, den König der
Beutetiere, gemacht wird, sondern - dem Leitthema des Abends entsprechend - auf Flughunde.
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Netzwerkbühne St. Gallen zeigt im Naturmuseum «Mammutjäger economy
class». In ihrer zweiten Theaterproduktion spüren die beiden Schauspieler Erich Furrer und Erich Hufschmid
lustvoll dem Traum des Menschen vom Fliegen nach. Ein rasantes musikalisches Theatervergnügen.
von Matthias Peter
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Funke der Lebenslust
Ohne äusseren Aufwand, unterstützt allein von dezent wechselnden Lichtstimmungen, einigen Toneinspielungen
sowie hauptsächlich live gebotenen Melodien stellen die beiden multitalentierten Schauspieler immer wieder aus dem
Stand frappante Stimmungsumschwünge her und vermögen so die Handlung gleichsam auf allen Ebenen parallel voranzutreiben.
Am Schluss hebt das Flugzeug, in dem Herr Felix zu Beginn des Theaterabends Platz genommen hat, endlich ab. Seine frei
durch die Geschichte der Evolution und der Luftfahrt schweifenden Gedanken werden durch den Startvorgang gebannt. Seine
eben noch gehegte Flugangst weicht dem Übermut, wenigstens einmal in seinem Leben so richtig auf den Putz zu hauen.
Der Funke von Herrn Felix' Lebenslust sprang am Dienstagabend auf das gegen hundertköpfige Premierenpublikum über.
Es dankte dafür mit begeistertem langanhaltendem Applaus. |
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